Die positive Kämpferin mit Herz

Melanie, von allen schon immer Melli genannt ist anders als all die anderen Kinder in ihrem Kindergarten. Es ist ein integrativer Kindergarten, das bedeutet nichteingeschränkte und eingeschränkte Kinder sind in einer Gruppe. Ihre Eltern wollten schon immer, dass sie normal behandelt wird. Außerdem lernten die anderen Kinder somit schon im frühen Alter, was es bedeutet anders zu sein. Melli ist nun fast sechs Jahre alt und trägt seit einem halben Jahr an ihrem Arm eine Armbinde. Sie ist gelb mit drei schwarzen Punkten. Das Zeichen bedeutet, dass sie blind ist. Außerdem nutzt sie einen Blindenstock. Wenn sie diesen von links nach rechts bewegt kann sie durch die rollende Kugel Hindernisse erkennen. „Seltsam sagen die anderen Kinder wäre das.“ Das ist es aber auch nur, weil sie es nicht kennen.

Um sich selbstständig mit dem Stock orientieren zu können, musste Mobilitätstraining bei der Krankenkasse beantragt werden. Blindenspiele und die Armbinde wurden bei speziellen Hilfsmittelshops gekauft.

Melli ist nicht von Geburt an blind, sie verlor fast ihr Augenlicht im Alter von drei Jahren, als ihr eine Glasscherbe unglücklicherweise genau ins Auge fiel. Glück im Unglück war das wohl, da sie nämlich noch auf dem rechten Auge Farben und Umrisse erkennen konnte. Ansonsten war alles verschwommen. Ins rechte Auge fiel ihr Gott sei Dank nur ein ganz kleiner Glassplitter, so dass nicht das komplette Auge beschädigt wurde. Links sah sie jedoch nichts mehr, also auch kein schwarz.

Stell dir vor, dein Finger ist taub, dann kannst du ja auch nichts fühlen und genauso, ist es mit ihrem Auge. Anfangs war sie sehr traurig, fühlte sich hilflos und die Hoffnung schien ihr auch zu fehlen, aber je mehr sie sich daran gewöhnt hatte, desto besser konnte sie damit umgehen. Außerdem gab es immer etwas Schlimmeres und dank dieser Einstellung hinderte sie ihre Situation auch nicht daran, dass Leben weiterhin positiv zu sehen.

Für ihre Eltern war das natürlich, im ersten Moment, ein Schlag ins Gesicht, da sie jedoch einen blinden Bekannten im Freundeskreis hatten, konnten sie sich schnell damit abfinden. Auch die Verwandten von Melli versuchten das Beste aus der Situation zu machen. Es dauerte jedoch etwas, bis es ihnen gelang, da sie sich oft Vorwürfe machten, weshalb es genau sie traf. Doch es hätte jeden treffen können, da eine Glasplatte schneller zerspringen konnte, als man ahnte.

Mit sieben Jahren kam sie nun in die Grundschule. Diese war auch wieder eine ganz normale Schule. Damit sie im Unterricht mitmachen konnte, hatte sie immer eine FSJ-lerin und eine Blindenlehrerin. Die Aufgaben der FSJ-lerin waren es zum Beispiel sie bei Ausflügen oder Klassenfahrten zu begleiten, aber auch bei ihr nicht leichtfallenden Unterrichtsthemen behilflich zu sein. Die Blindenlehrerin brachte ihr die Punktschrift bei. Es stellte sich nämlich heraus, dass es für Melli immer anstrengender wurde das rechte Auge zu nutzen, sodass sie vorsichtshalber auf Punktschrift umstieg. Anfangs der Grundschule schrieb sie noch mit einem Stift, bei dem die Mine dick war und sie hatte ein Tafelkameralesegerät, mit dem sie das, was an der Tafel stand vergrößern konnte. Sie konnte allerdings auch einfach ein Schulbuch auf das Lesegerät legen und es vergrößern.

Natürlich war es schwer für sie Freunde zu finden, doch mit ihrer längsten Freundin hat sie bis heute Kontakt. Es ist leider oft so, dass wenn man an einer normalen Schule ist und eine Einschränkung hat, dass man ausgekränzt werden kann. Die Kinder wissen oftmals nicht wie sie mit dem Anderssein umgehen sollen. Am besten so, wie man mit einer nichteingeschränkten Person auch umgehen würde.

Als sie anfing die Punktschrift zu erlernen schrieb sie erstmal mit einer Punktschriftmaschine. Es ist eine Art Schreibmaschine für Blinde. Stell dir vor, du hast einen Spielwürfel und alle sechs Augenwürfel ergeben die Punktschrift. Wenn du beispielsweise alle Punkte außer den links oben mit deiner Hand zudeckst, ergibt es den Buchstaben a. Nach so paar Monaten stieg sie dann auf einen Laptop mit einer Sprachausgabe und einer Braillezeile um. Die Braillezeile ist ein Gerät, auf der sie in Punktschrift angezeigt bekommt, was auf dem Laptop steht. Durch ein USB-Kabel wird sie mit dem Laptop verbunden. Damit beides im Zusammenhang aber funktionieren kann, benötigt man eine spezielle Software beispielsweise das JAWS. Den Laptop muss man selbst zahlen, die Braillezeile sowie die Software muss man aber bei der Krankenkasse beantragen.

Einfach war es sicher nicht auf einer normalen Schule, doch der Wille es durchzuziehen war so groß, dass sie nicht ans Aufgeben dachte. Davon hatte keiner was.

Auch auf dem Gymnasium wurde Melli von ihrer Blindenlehrerin und der FSJ-Lerin unterstützt. Es war allerdings so, dass sie jedes Jahr eine neue FSJ-Lerin bekam, die Blindenlehrerin änderte sich jedoch nicht. Für sie war das immer eine neue Umstellung, denn kaum hatte sie sich an eine FSJ-Lerin gewöhnt bekam sie sozusagen wieder eine neue. So ist das jedoch bei einem sozialen Jahr. Natürlich gibt es Fälle in denen man verlängern könnte, doch in ihrem Fall, war das nicht so.

Jeder Mensch hat Hobbys, Melli natürlich auch, und zwar eines, bei dem die Leute immer erstaunt waren, wenn sie davon berichtete. Sie liebte nämlich Skifahren. Ja, auch wenn sie nicht sah wo sie hinfuhr ging es. Der Skilehrer fuhr entweder vor- oder hinter ihr und gab ihr durch seine Stimme Anweisungen, in welche Richtung sie fahren sollte. Beim Skifahren fühlte sie sich immer frei, so als könnte sie fliegen. Generell liebte sie den Schnee, denn er hatte etwas Magisches an sich, wenn sie darauf lief und wenn dann noch die Sonne schien – herrlich. Ansonsten mochte sie das Plätschern eines Brunnens, die Wärme der Sonne und den Geruch von Regen.

Nachdem sie ihr Abitur erfolgreich beendete, beschloss sie, eine Ausbildung zur Erzieherin zu machen. Bei dieser hatte sie eine Arbeitsassistenz, da es sehr schwierig für Melli war auf die Kinder aufzupassen bezüglich der Aufsichtspflicht.

Um ihre Selbstständigkeit zu fördern, nahm sie an LPF-Freizeiten an Wochenenden teil. In LPF (Lebenspraktischen Fähigkeiten) lernte sie zum Beispiel wie man sich als Blinde das Kochen erleichtern konnte, welche Hilfsmittel es dafür gab etc. Genau wie es für Mobilitätstraining spezielle Leute gibt, gibt es diese auch für LPF. Um zu ihrer Ausbildungsstelle zu gelangen oder ähnliches hatte sie auch Mobilitätstraining gebraucht. Immerhin konnte sie den Weg nicht nach einmal gehen.

Als sie ihre Ausbildung zur Erzieherin erfolgreich abgeschlossen hat, hatte sie das Glück, dass sie in dem Kindergarten, in dem sie ihr Jahrespraktika absolviert hatte übernommen wurde.

Hürden musste sie natürlich auch in ihrer Ausbildung überwinden, doch da sie die Arbeit mit den Kindern mehr als liebte, da sie ihr so viel zurück gaben, kam es überhaupt nicht in Frage, sich neu zu orientieren.

Mit anderen Blinden hatte sie eigentlich so gut wie keinen Kontakt. Dies lag daran, dass sie lieber mit nichtgehandicapten Menschen zu tun haben wollte. Sie glaubte nämlich, dass es mit jemand blindem beispielsweise schwerer wäre in die Stadt zu gehen, als mit jemand sehendem.

Als sie sich in ihre Arbeitsstelle eingewöhnt hatte zog sie mit ihrem Freund zusammen. Sie hatten sich bei einem Konzert vor ein paar Jahren kennengelernt. Zusammen waren sie jedoch schon seit einiger Zeit. Ihr Freund hatte eine Sehbehinderung, sah also noch mehr als sie. Manchmal war es auch so, dass sie auf der Straße von Leuten oder Kindern angesprochen wurde und ihr Fragen zu ihrer Blindheit gestellt wurden. Doch es machte ihr nichts, da sie sehr offen damit umging. Was sie gar nicht mochte war, wenn Kinder fragen und Erwachsene psst, frag nicht sagen, da es so wichtig ist Fragen zu stellen. Dadurch dass ein Sinn fehlte nutzte sie natürlich die anderen Sinne viel intensiver, aber es war nicht so, dass sie beispielsweise besser hörte.

Sie lebten sich gut in der neuen Wohnung ein. Auch ihre Familie war stolz dass sie trotz ihrer Einschränkung alles so klasse meisterte. Sie war halt eine positive Kämpferin mit Herz, das muss man ihr lassen.